Kann der Bus auf dem Land „mehr als Schulbus?“ Dieser Frage widmete sich die sechste Veranstaltung der Reihe „ÖPNV-Offensive für ländliche Räume“ des Zukunftsnetzwerks ÖPNV und der Akademie ländlicher Raum BW. Über 60 Gäste waren dazu in Rastatt am 25. August zusammengekommen.
Als Ergebnis des Tages kann die Eingangsfrage klar mit „ja“ beantwortet werden. Busse können auch auf dem Land die Basis für ein gutes, für alle attraktives ÖPNV-Angebot sein, auch wenn sie bisher in der allgemeinen und auch fachlichen Meinung gern auf ihre Rolle im Schülerverkehr reduziert werden. Dafür sind allerdings eine gute Planung, ausreichende Finanzierung und Abstimmung der Buslinien mit weiteren Angeboten nötig. Denn auch wenn die Flexibilität des Busses dazu verleiten mag, ihn mit Stich- und Schleifenfahrten tatsächlich in jedes Dorf zu schicken, entstehen so doch keine attraktiven Angebote. Mit mehrstufigen Verkehrskonzepten – wie im „Bürgerlabor mobiles Münsterland“ erprobt – können die einzelnen Verkehrsträger dagegen ihre Stärken ausspielen und ein besseres Gesamtangebot entstehen: Busse für die Bedienung der Hauptrelationen in dichtem Takt, Rufbusse und Fahrräder oder Scooter für die Flächenerschließung.
Schwerpunkt der Rastatter Tagung waren „hochwertige Busangebote“ in ländlichen Räumen, nachdem On Demand Verkehre (März) und multimodale Angebote (Mai) bereits in früheren Terminen der Reihe behandelt worden waren. In den meisten Flächenländern werden solche hochwertigen Busangebote inzwischen durch besondere Förderprogramme unterstützt, wobei sich der für eine Förderung nötige Angebotsstandard von Region zu Region durchaus unterscheidet. Der Vortrag von Ulrich Weber vom VDV gab einen Überblick über die verschiedenen Ausbauziele, Fördersätze und Trägerschaftsmodelle. Merkmale aller Konzepte sind Linien mit
- einem durchgehenden Taktverkehr an allen Tagen
- einer möglichst direkten Linienführung
- einem (auch) auf überörtliche Verkehre ausgerichteten Angebot
- oft einer besonderen Kennzeichnung und eigener Werbung
Als erster Anwendungsfall dieser Idee wurden die „Regiolinien“ in Rheinland-Pfalz bereits nach der Bahnreform zur Aufgabe der SPNV-Zweckverbände. Sie sind inzwischen in einer umfassenden Angebotsneuordnung im Rahmen des „ÖPNV-Konzepts Nord“ aufgegangen. In Nordrhein-Westfalen bestehen einerseits schon lange Erfahrungen mit Schnellbuslinien im Münsterland, eine landesweite Förderung solcher Angebote ist jedoch noch relativ neu. Wie Andreas Falkowski berichtete, ist ein umfassendes Schnellbusnetz jedoch nun im Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung enthalten.
Die bekannteste Form eines „hochwertigen Busangebots“ dürfte der PlusBus sein, da diese vom Mitteldeutschen Verkehrsverbund entwickelte Marke inzwischen in den meisten ostdeutschen Ländern und seit kurzem auch im Saarland verwendet wird. Hans-Jürgen Hennig stellte die Erfahrungen aus Brandenburg vor, wo diese Verkehre im Wesentlichen durch die kommunalen Aufgabenträger entwickelt werden.
In Baden-Württemberg ist das Konzept mit dem seit 2015 bestehenden Regiobus-Programm umgesetzt, das auch Thema einer eigenen Veranstaltung war (April). Im Landkreis Rastatt sind mehrere der aktuell 36 Linien im Land zu finden. Wie Mario Mohr erläuterte, steht als nächste Aufgabe an, für die umfangreichen Pendlerverkehre ins Elsass mit neu konzipierten Buslinien erstmals ein ÖPNV-Angebot zu machen.
Über die Landesgrenzen hinaus blickte auch Lothar Ebbers in seiner Vorstellung der hochwertigen Busverkehre in den Niederlanden. Bei einer ähnlichen Grundidee sind die dortigen Verkehre in mehrfacher Hinsicht meist ambitionierter – was etwa an der Angebotsdichte erkennbar ist, aber auch den vielfältigen Maßnahmen zur Erhöhung der Reisegeschwindigkeit, etwa durch die Nutzung von Autobahnen (mit eigenen Ausfahrten) oder verkehrsgünstig gelegener Knotenpunkthaltestellen.
Gerade dieses Konzept zeigt, welche Möglichkeiten im Busverkehr noch stecken, bisher allerdings hierzulande noch wenig genutzt werden. Immerhin sind Busbeschleunigungsmaßnahmen zumindest in Baden-Württemberg seit 2015 nach dem Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz förderfähig.
Insgesamt zeigen die Beiträge der Tagung, dass der ländliche Busverkehr mehr sein kann als ein Restangebot zur Bedienung verschiedener Bedürfnisse, die nicht mit dem Individualverkehr bedient werden. Auch Busverkehre lassen sich ausbauen, attraktiv gestalten und vermarkten. Viele der auf der Tagung vorgestellten Maßnahmen sind jedoch noch relativ neu, so dass die Praxiserfahrungen damit - trotz sehr positiver Kundenresonanz in einigen Regionen - insgesamt noch begrenzt sind. Die Frage, ob es – analog zum „Schienenbonus“ - möglicherweise einen „Regiobusbonus“ geben kann, muss daher in erst einmal noch offenbleiben.
Aus Sicht der landespolitischen wie der verkehrs- und klimapolitischen Ziele allgemein bietet das Konzept der „hochwertigen Busverkehre“ mehrere potenzielle Vorteile:
- Leuchtturmfunktion: das hochwertige Angebot wirbt „für sich selbst“, sowohl bei potenziellen Fahrgästen wie auch in Richtung der Aufgabenträger für ein weiteres Engagement
- Ausgleich von Disparitäten: die anspruchsvollen Standards bzgl. Reisegeschwindigkeit, Takt, Anschlüssen, Tarifintegration verbessern die Erreichbarkeit von „ab-seits der Schiene“ gelegenen Orten (inkl. Mittel/Unterzentren) erheblich
- zeitnaher Angebotsausbau: neue/aufgewertete Busangebote lassen sich deutlich schneller realisieren als vergleichbare Maßnahmen im spurgebundenen ÖV