Ein weißes SUV des Herstellers Nio mit System zum autonomen Fahren von Mobileye steht auf einem Parkplatz.
Foto: Mobileye

Autonomes Fahren

Reallabore mit autonomen Kleinbussen

Autonome Kleinbusse als On-Demand-Verkehre: Im realen Probebetrieb sollen Verkehrsverlagerungseffekte und Wirtschaftlichkeit nachgewiesen werden.

Das Land Baden-Württemberg verfolgt seit 2018 den Ansatz neben Fuß-, Rad-, Pkw- sowie Bus- und Bahnverkehren ein fünftes Element im Verkehrssystem zu etablieren. Es soll die Vorteile des motorisierten Individualverkehrs mit denen des Umweltverbundes vereinen: etwa die Möglichkeit, zu jeder Tages- und Nachtzeit mobil zu sein, ohne dafür ein eigenes Fahrzeug zu benötigen.

Hierfür eigen sich vor allem On-Demand-Verkehre mit autonomen Fahrzeugen, wie zum Beispiel Kleinbusse mit sechs bis acht Sitzplätzen. Diese können per App, Web oder Telefon zur eigenen Haustür oder zu einer virtuellen Haltestelle geordert werden und bringen ihre Fahrgäste von dort ans Ziel. Ggf. sind kleine Umwege von einer bis fünf Minuten nötig, um andere Fahrgäste einzusammeln oder abzuliefern. Verkehrliche Untersuchungen gehen zur Zeit von einem Busbesetzungsgrad von drei bis vier Personen aus.

Der Einsatz von autonomen Fahrzeugen ist für die Hochskalierung solcher Konzepte schon deshalb eine Grundvoraussetzung, um Problemen wie dem Fahrer:innenmangel und den hohen Personalkosten zu begegnen. Busfahrer:innen verursachen im städtischen Verkehr im bundesweiten Mittel mindestens 50 Prozent und im Überlandverkehr mindestens 70 Prozent der Personalkosten im Busverkehr. Die chronisch leidende Finanzierung des schon immer hochdefizitären Busverkehrs mit einer Kostendeckung von 30 Prozent durch Ticketpreise, wird bisher über Steuermittel subventioniert, ohne dass eine verkehrssystemische Lösung betrachtet wird. Die ersten Schätzungen der Kosten für die Technologie, mit der ein Kfz völlig ohne jegliche Infrastruktur auskommt, wird auf circa 10 Prozent der bisherigen Busverkehrskosten geschätzt.

Die rechtlichen Voraussetzungen zur Zulassung eines autonomen Kfz sind mit der Bedingung, eine technische Aufsicht als eine Art Notfallzentrale (ähnlich wie beim Aufzug) zu betreiben, vorhanden. Das Bundesstraßenverkehrsgesetz (StVG) wurde 2021 angepasst. Die rechtlichen Voraussetzungen im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) von 2021 sind leider kaum zu erfüllen. Die Einschränkungen in § 50 PBefG „Gebündelter Bedarfsverkehr“ sind nicht geeignet, einen Markt für das „fünfte Element“ im Verkehrssystem zu eröffnen (s. o.). Die Eingrenzung, dass nur innerhalb der Gemeinde befördert werden darf und der Unternehmer hier auch noch seinen Sitz haben muss, ist für Verkehre im ländlichen Raum völlig ungeeignet (Abs. 2). In Absatz 3 und 4 werden der Genehmigungsbehörde weitere Befugnisse zur Einschränkung des Bedarfsverkehrs zugewiesen, die eine wirtschaftliche Kalkulation zwecklos erscheinen lassen.

Die verkehrsplanerischen Voraussetzungen sind bislang nur theoretisch aufgestellt. Der VDV (Verband Deutscher Verkehrsunternehmen) unternimmt seit circa 2018 große Anstrengungen, seine Verkehrsbetriebe auf die neue Technologie einzustimmen. Es fehlt derzeit jedoch an interessierten Kommunen.

Die finanzielle Seite ist unkritisch, wenn das System einmal flächenhaft vorhanden ist. Die betriebswirtschaftliche Betrachtung zeigt, dass bei einer absehbaren Kostenreduktion um circa 50 Prozent (Mittel aus 50 bis 70 Prozent Personalkostenanteil = 60 Prozentpunkte abzgl. 10 Prozent Technologiekosten) und einer heutigen Kostendeckung von circa 30 Prozentpunkten künftig eine Kostendeckung von im Mittel 60 Prozent zu erzielen ist, also eine Verdoppelung, bzw. eine Halbierung der Subventionen. Der Subventionsanteil wird bei volkswirtschaftlicher Betrachtung noch deutlich geringer ausfallen, da autonome Fahrzeuge weniger Unfalltote und -verletze verursachen als Busfahrer:innen. Denn 90 Prozent der Unfälle werden durch menschliches Versagen verursacht.

Aktuell sind für die Reallabore jedoch noch Forschungsfragen zu klären, die von möglichen künftigen Mobilitätsdienstleistern nicht vorfinanziert und angesichts der Regelungen im PbefG auch nicht unterstützt werden können. Eine staatliche Förderung ist hierbei bis auf weiteres unerlässlich und hat den Vorteil, dass staatliche Ebenen frühzeitig lernen können.

Ansatzpunkte, um autonome Kleinbusse im On-Demand-Verkehr auf die Straße zu bringen

  • Weiterführung der z. T. laufenden Reallaborprojekte (RABus, AMEISE, TTaÖV)
  • Neue Reallabore mit gesetzlichen Betriebsstreckengenehmigungen nach AFGBV
  • Einbindung der Kommunen und Fahrzeughersteller sowie verstärkte Anreize für Verkehrsbetriebe zur Teilnahme an weiteren Reallaboren mit spezifischen Anwendungsfällen (Use cases)
  • Änderung von § 50 PBefG
  • Anpassung der Nahverkehrspläne

Weitere Informationen zum automatisierten und vernetzten Fahren

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