Steckbrief fips
Zahlen und Fakten zum On-Demand-Verkehr fips des rnv in Mannheim
Das Zukunftsnetzwerk ÖPNV fragt nach: In einer Interview-Reihe sprechen wir mit Vertreter:innen der On-Demand-Verkehre in Baden-Württemberg. Die Interviews zeigen Chancen und Herausforderungen, die mit der Einführung solcher Angebote einhergehen. Ein Service für Kommunen und Verkehrsverbünde, die selbst einen On-Demand-Verkehr planen.
fips ist das „flexible, individuelle Personenshuttle“ der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (rnv) und bietet On-Demand-Fahrten tagsüber in zwei großen Bediengebieten in den Randlagen der Stadt Mannheim an. In den Nächten von Freitag auf Samstag, von Samstag auf Sonntag sowie vor Feiertagen gibt es einen zusätzlichen Nachtverkehr, der von 22 Uhr abends bis 5 Uhr morgens in der ganzen Stadt unterwegs ist. Im April 2024 ist fips auch in Stadtteilen von Heidelberg gestartet.
Fahrten können per App oder Telefon gebucht werden. fips bringt die Fahrgäste dann von einem der über 3.000 virtuellen Haltepunkte, die über das ganze Stadtgebiet verteilt sind, zu einem anderen. Es handelt sich um eine Flächenbedienung. Fahrten zwischen den beiden Bediengebieten sind nicht möglich.
Die rnv übernimmt den Betrieb komplett selbst, also mit eigenem Personal und eigenen Fahrzeugen. Nur die Software kommt von einem externen Dienstleister.
fips in Mannheim bekommt eine Förderung durch das Land Baden-Württemberg, das noch bis Ende des Jahres 2024 25 Prozent der Betriebskosten übernimmt. Daneben hat der Bund die Investitionskosten bezuschusst, beispielsweise für Fahrzeuge und Ladeinfrastruktur.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: fips (flexibles individuelles Personenshuttle) fährt tagsüber in zwei Bediengebieten am Stadtrand von Mannheim. Was ist die Idee dahinter?
Philipp Shahinfar: Das Straßenbahnnetz ist sternförmig auf die Mannheimer Innenstadt ausgerichtet und es gibt auch tangentiale Buslinien. Aber wir haben auch eine verstreute, disperse Nachfrage innerhalb der Randgebiete festgestellt, die sich schwer in Buslinien bündeln lässt. Dafür ist die flexible Bedienform von fips eine Lösung, die auch ganz gut nachgefragt wird. Andere Anwendungsfälle sind die erste und letzte Meile. Da gibt es auch eine Nachfrage, die ist aber nicht so groß wie die nach den tangentialen Direktfahrten.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: Welche Wegezwecke können besser durch Linienverkehre abgedeckt werden und welche besser durch On-Demand-Verkehre?
Shahinfar: Grundsätzlich eignen sich beide Bedienformen für alle Wegezwecke. Wenn aber große Gruppen zeitgleich von oder zu einem Ziel unterwegs sind, zum Beispiel zu Schulen oder großen Veranstaltungsorten, braucht man Busse und Bahnen, die im Linienverkehr fahren. Bei einer geringen und volatilen Nachfrage sind die On-Demand-Verkehre im Vorteil: beispielsweise für Fahrten zu dem Strandbad in unserem Bediengebiet. Da wollen bei schönem Wetter viele Fahrgäste hin und bei schlechtem Wetter nicht.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: fips bietet teilweise Parallelfahrten zum Linienverkehr an. Könnte dadurch der klassische ÖPNV kannibalisiert werden?
Shahinfar: Wir sehen das nicht so kritisch. Wir haben das mal grob ausgewertet und der Anteil der Parallelfahrten liegt im einstelligen Prozentbereich. Wir wollten auch in der Pilotphase von fips nicht zu viele Restriktionen einführen, um Fahrgäste ins System zu holen. Wenn man Parallelverkehre grundsätzlich verhindert, trifft man zudem auch Menschen mit Mobilitätseinschränkungen. Für sie ist der Weg zur Haltestelle des klassischen ÖPNV oft zu weit. Der On-Demand-Verkehr mit seinem dichten virtuellen Haltestellennetz und buchbaren barrierefreien Fahrzeugen ist eine gute Alternative. Wir haben bei fips viele Fahrgäste mit einem Schwerbehindertenausweis.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: Die fips-App zeigt für jede Fahrt mit dem On-Demand-Verkehr die Reisezeit mit Bus und Bahn, inklusive Umsteigezeit, an. Was erhoffen sie sich davon?
Shahinfar: Ich kann in der fips-App zum Beispiel einen Start im Stadtzentrum und ein Ziel am Stadtrand eingeben und dann empfiehlt mir die App, dass ich in die Straßenbahn einsteigen und für die letzte Meile auf fips umsteigen soll. Diese intermodale Auskunft ist für uns selbstverständlich, weil fips Bestandteil des ÖPNV ist. Langfristig plant der Verkehrsverbund eine Lösung mit einer multimodalen, verbundweiten Auskunfts-App, in der alles möglich ist. Aber solange diese noch nicht da ist, übernimmt die fips-App das.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: E- oder Diesel-Antrieb: Welche Fahrzeuge eignen sich für On-Demand-Verkehre unter welchen Bedingungen?
Shahinfar: Wir nutzen ausschließlich E-Fahrzeuge, auch als Beitrag zum Klimaschutz und um lokal emissionsfrei zu fahren. Mit der Reichweite kommen wir gut hin, außer wenn es sehr kalt ist. Schlimmstenfalls muss das Fahrzeug dann früher in den Betriebshof einrücken und aufladen. Alles in allem sind wir der Ansicht, dass die Vorteile der E-Fahrzeuge überwiegen und ihnen die Zukunft gehört. Langfristig werden wir darüber nachdenken, wie wir dezentrale Ladepunkte in der Stadt nutzen können, um die Standzeiten gering zu halten.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: Wie regeln Sie den Fahrzeugeinsatz pro Bediengebiet?
Shahinfar: Im ersten Schritt stellen wir sicher, dass in den Bediengebieten eine Grundabdeckung verfügbar ist. Das heißt, dass immer mindestens zwei Fahrzeuge gleichzeitig im Einsatz sind. Im zweiten Schritt schauen wir, zu welchen Zeiten wir welche Nachfrage erwarten. Wir nutzen dazu die Erfahrungen und historischen Daten, die wir mittlerweile haben. Auf dieser Basis planen wir dann die weiteren Fahrzeuge ein. Die drei Fahrzeuge, die für Menschen im Rollstuhl geeignet sind, können bei Bedarf auch das Gebiet wechseln, damit sie verfügbar sind.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: Sie haben im Juli 2023 Nachtfahrten eingeführt, die stadtweit und nur an den Wochenenden sowie vor Feiertagen angeboten werden. Dadurch kam es zu einem deutlichen Fahrgastzugewinn. Warum sind die Nachtfahrten bei den Fahrgästen so beliebt?
Shahinfar: Am Wochenende fährt der ÖPNV nachts vor allem auf den Hauptachsen. Dazwischen entstehen Lücken im Angebot. Wir haben den Nachtverkehr eingeführt, um diese Lücken zu schließen. Außerdem haben wir festgestellt, dass den Fahrgästen die wohnortnahe Bedienung durch fips nachts besonders wichtig ist, weil sie sich dann subjektiv sicherer fühlen.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: Warum ist bei Ihnen die Pooling-Quote im Nachtverkehr höher als im Tagesverkehr?
Shahinfar: Das ist eine Auslastungsfrage. Das Angebot wird nachts gut wahrgenommen und dadurch steigt auch die Wahrscheinlichkeit für das Pooling. Zudem sind nachts die Fahrten länger, weil die Fahrgäste in der ganzen Stadt unterwegs sind. Und je länger eine Fahrt ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass unterwegs eine Person mit einem ähnlichen Fahrtwunsch zusteigt.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: Sie haben im Sommer 2022 einen Qualitätszuschlag in Höhe von einem Euro für Zeitkartennutzer:innen und zwei Euro für Nutzer:innen von Einzelfahrscheinen eingeführt. Warum?
Shahinfar: fips bietet einen Komfortgewinn, gerade auch durch die wohnortnahe Bedienung, und ist aktuell ein On-top-Angebot zum klassischen ÖPNV. Das rechtfertigt aus unserer Sicht einen Aufpreis. Außerdem hatten wir festgestellt, dass es zu Beginn viele Jugendliche gab, die sich in ihrer Freizeit zum Spaß umherfahren ließen. Wir wollten verhindern, dass das System durch sogenannte „Spaßfahrten“ ausgelastet wird. Seitdem wir den Aufpreis eingeführt haben, sind diese Fahrten stark zurückgegangen. Wir haben im Zuge der Begleitforschung festgestellt, dass die Fahrgäste den Qualitätszuschlag akzeptieren.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: Wie hat sich der Zuschlag auf die Fahrgastzahlen ausgewirkt?
Shahinfar: Die Nachfrage hat sich nach Einführung des Zuschlags zunächst fast halbiert. Dadurch, dass Kapazitäten für andere Fahrten frei wurden, haben dann aber neue Fahrgäste das fips-Angebot angenommen: beispielsweise Leute mit einem Schwerbehindertenausweis, denen fips das Leben erleichtert. Diese Gruppe befördern wir kostenfrei.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: Der Mangel an Fahrer:innen ist im ÖPNV allgegenwärtig. Wie schaffen Sie es, genügend Shuttlefahrer:innen zu rekrutieren?
Shahinfar: Die rnv führt zahlreiche Rekrutierungsmaßnahmen durch, wie zum Beispiel regelmäßige Jobtage auf den Betriebshöfen oder auch Job-Speed-Datings mit der Bundesagentur für Arbeit. Dadurch gelingt es nach wie vor, Straßenbahn-, Bus- und auch Shuttlefahrer:innen einzustellen. Bewerber:innen brauchen nur einen Pkw-Führerschein und den kleinen Personenbeförderungsschein. Auch die Ausbildung als Shuttlefahrer:in dauert nur zwei Wochen. Wir bezahlen die Fahrer:innen nach rnv-Tarif, also mit Zuschlägen und Urlaubsanspruch. Der Arbeitsplatz ist sicher und unbefristet. Dazu gibt es auch die Perspektive, sich im Unternehmen fortzubilden, also zum Beispiel in den Fahrdienst für Bus und Bahn oder auch in andere Bereiche in der Verwaltung.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: Wie erfolgt die Dienstplanung beim On-Demand-Verkehr im Vergleich zum Linienverkehr?
Shahinfar: Im klassischen Linienverkehr wird zuerst ein Fahrplan erstellt, an dem sich die Dienstplaner:innen orientieren. Sie schneiden dann die Dienste so, dass sie zum Fahrplan passen. Dadurch sind dann relativ viele Rahmenbedingungen vorgegeben: zeitlich, aber auch örtlich, also wo die Einsätze stattfinden und wo die Pausenorte sind. Im On-Demand-Verkehr ist das anders, da die Dienste, die wir auf die Straße bringen, gleichzeitig das Angebot darstellen. Hier wird vorab definiert, wie viele Fahrzeuge zu welcher Stunde in welchem Gebiet verfügbar sein sollen. Das wird dann an die Dienstplanung als Vorgabe gegeben und die erstellt darauf basierend die Dienstpläne.