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Ist der ÖPNV besser als sein Ruf?

Was es mit dem Wahrnehmungsparadoxon im Nahverkehr auf sich hat, erfahren wir in der Studie #besserBahnfahren.

Die ARD hat im Rahmen ihrer Crowd-Science-Aktion #besserBahnfahren rund 6.000 positive wie negative Erfahrungsberichte zu Fahrten mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gesammelt. Das Baden-Württemberg Institut für Nachhaltige Mobilität (BWIM) hat diese persönlichen Berichte im Auftrag des SWR wissenschaftlich ausgewertet. Zudem hat Infratest dimap eine repräsentative Umfrage unter rund 2.700 Personen zu den Motiven ihrer Verkehrsmittelwahl durchgeführt. Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit wurden mit 21 Prozent der negativen Erfahrungen mit dem ÖPNV am häufigsten bemängelt.
  • Für Städter:innen ist die Pünktlichkeit des ÖPNV das wichtigste Kriterium für die Entscheidung, ob sie Busse und Bahnen nutzen.
  • Für Landbewohner:innen steht die Dichte des Taktes an erster Stelle.
  • Dahinter rangieren Fahrt- und Wartezeiten.
  • Der Fahrpreis spielt als Entscheidungskriterium seit der Einführung des Deutschlandtickets eine untergeordnete Rolle.
  • 23 Prozent der Besitzer:innen eines Deutschlandtickets fahren seltener mit dem Auto, seit sie das Ticket haben. Es handelt sich hierbei überwiegend um Menschen, die bereits zuvor mindestens gelegentlich mit Bussen und Bahnen gefahren sind.

Wahrnehmungsparadox im ÖPNV

In einem LinkedIn-Beitrag macht das BWIM auf einen nicht zu unterschätzenden psychologischen Grund für das schlechte Image des ÖPNV aufmerksam: die sogenannte Memory-Experience-Gap. Gefragt nach ihrer Erfahrung mit dem ÖPNV, beschreiben fast dreiviertel der Teilnehmenden in der BWIM/SWR-Studie ein negatives Ereignis. Die konkrete Nachfrage, ob „gestern“ alles glatt lief, ergab 66 Prozent positive Erfahrungen. Bei direkter Beurteilung nach jeder Fahrt über einen Zeitraum von zwei Wochen (Live-Befragung) steigen die positiven Bewertungen sogar auf 90 Prozent.

Der Grund ist eine selektive Wahrnehmung: insbesondere negative Erlebnisse brennen sich in die Erinnerung ein. Dieser bekannte psychologische Effekt wird noch verstärkt, wenn der Mensch im Gespräch mit anderen oder durch die Medien wiederholt in seiner Wahrnehmung bestätigt wird.

Der ÖPNV wird deutlich schlechter erinnert als tatsächlich wahrgenommen

Hohe Bedeutung der Pünktlichkeit: Die 90 Prozent positiven Beurteilungen aus der Live-Befragung decken sich mit der Statistik für 91 Prozent Pünktlichkeit bei Zügen der DB Regio. Ein Wert, der jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung von den Verspätungen im Fernverkehr überlagert wird (64 Prozent Pünktlichkeit in 2023 laut Deutscher Bahn).

Laut BWIM reiche es aber nicht aus, sich auf die Position zu stellen, dass der ÖPNV besser als sein Ruf sei. Um Menschen für den Umstieg auf Busse und Bahnen zu begeistern, müsse die Zuverlässigkeit über das aktuelle Niveau hinaus gesteigert werden – durch Pünktlichkeit, Taktdichte, kurze Fahrzeiten, ausreichend Wagenmaterial, gute Informationen und eine angenehme Atmosphäre. Busse und Bahnen im Nahverkehr müssten erlebbar besser sein als ihr Ruf.

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