Am 28. Mai hat das Bundeskabinett eine Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Änderung des § 23 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) verabschiedet. Der Paragraf regelt die Nutzung ehemaliger Bahnflächen.
Im Jahr 2023 hatte die Ampel-Koalition den § 23 AEG geändert, um stillgelegte Bahnstrecken künftig besser vor Bebauung zu schützen. Hintergrund dieser Novelle ist der jahrzehntelange Rückbau des Schienennetzes in Deutschland. Heute steigt die Nachfrage nach klimafreundlicher Mobilität, und viele früher aufgegebene Gleise werden erneut benötigt. Doch der Wiederaufbau scheitert oft daran, dass die Flächen bereits überbaut wurden. Genau das sollte die Gesetzesänderung von 2023 künftig verhindern.
AEG-Novelle blockiert Stadtentwicklungsprojekte
Allerdings führte die Gesetzesänderung auch dazu, dass rund 150 geplante Bauprojekte in Städten und Gemeinden vorerst gestoppt wurden. Eines der prominentesten Beispiele ist das Rosensteinquartier in Stuttgart. Es soll auf Flächen entstehen, die heute noch vom Kopfbahnhof belegt sind. Die Stadt Stuttgart hatte ihre Zustimmung zu Stuttgart 21 auch mit dem Ziel erteilt, die künftig frei werdenden Gleisflächen für ein Wohnquartier für rund 10.000 Menschen nutzen zu können.
„Es ist den Menschen in unserem Land nicht vermittelbar, wenn zahlreiche sinnvolle Stadtentwicklungsprojekte blockiert werden, obwohl für die betroffenen Flächen weder ein Verkehrsbedürfnis noch eine langfristige Nutzungsperspektive für den Bahnbetrieb besteht“, sagt Bundesverkehrsminister Patrick Schneider (CDU). „Natürlich müssen wir auch in unseren dicht besiedelten Räumen dafür sorgen, dass auch perspektivisch ausreichend Flächen für einen zunehmenden Bahnverkehr zur Verfügung stehen. Aber die Gesetzesanpassung der letzten Legislatur ist hier deutlich über das Ziel hinausgeschossen. Wir wollen schnellstmöglich Vernunft walten lassen und dafür sorgen, dass ehemalige Bahnflächen u. a. wieder für den Wohnungsbau genutzt werden können.“
Stuttgart zeigt die Komplexität des Themas
In Stuttgart wird die ganze Komplexität deutlich: Einerseits verhindert § 23 AEG derzeit die Bebauung künftig nicht mehr benötigter Gleisflächen. Andererseits besteht die Gefahr, dass der neue Tiefbahnhof langfristig nicht genügend Kapazität bietet – dann würden die oberirdischen Gleise zumindest teilweise wieder gebraucht.
Darüber, dass das § 23 AEG in seiner aktuellen Fassung nicht bestehen bleiben soll, besteht weitgehender parteienübergreifender Konsens. Im Dezember 2024 hatten CDU, SPD, Grüne und FDP bereits einen Anlauf unternommenen, den Paragrafen anzupassen. Dabei waren sie sich weitgehend einig. Allerdings scheiterte die Änderung daran, dass ein anderes Gesetz, das mit der AEG-Anpassung im Block abgestimmt werden sollte, nicht die Zustimmung aller Parteien erhielt.
Mit der nun vorgelegten Formulierungshilfe liefert das Bundeskabinett einen Kompromissvorschlag, der den Schutz potenziell reaktivierbarer Bahnflächen mit den Interessen der Stadtentwicklung in Einklang bringen soll. Das weitere Verfahren liegt jetzt bei den Bundestagsfraktionen.