Steckbrief ADKflex
Zahlen und Fakten zum On-Demand-Verkehr ADKflex im Alb-Donau-Kreis
Das Zukunftsnetzwerk ÖPNV fragt nach: In einer Interview-Reihe sprechen wir mit Vertreter:innen der On-Demand-Verkehre in Baden-Württemberg. Die Interviews zeigen Chancen und Herausforderungen, die mit der Einführung solcher Angebote einhergehen. Ein Service für Kommunen und Verkehrsverbünde, die selbst einen On-Demand-Verkehr planen.
Der On-Demand-Verkehr ADKflex fährt auf sechs Linien im Südwesten des Alb-Donau-Kreises rund um die große Kreisstadt Ehingen (Donau) und die kleine Stadt Munderkingen. Die Region ist äußerst ländlich geprägt und erstreckt sich bis auf die Schwäbische Alb. ADKflex bindet viele Ortsteile an die beiden Städte an und hier besonders an die Bahnhöfe. Neben dem On-Demand-Angebot sind die kleinen Orte bislang vor allem über Schulbuslinien an den ÖPNV angeschlossen. Es gibt ein Grundangebot mit Buslinien im Donautal. Der wichtigste Bezugspunkt für den öffentlichen Verkehr ist die Donaubahn von Ulm über Ehingen nach Sigmaringen.
Der Kreistag des Alb-Donau-Kreises hat beschlossen, die Region mobil zu halten. Im November 2020 hat der Kreis einen Förderantrag zur Innovationsoffensive Öffentliche Mobilität gestellt, der im Juli 2021 vom Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg bewilligt wurde. In einer europaweiten Ausschreibung, die durch die Förderung notwendig wurde, hat sich die Süddeutsche Verkehrslinien GmbH & Co. KG aus Laupheim durchgesetzt. Sie betreibt den Verkehr mit drei elektrischen Kleinbussen.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: ADKflex fährt Haltestellen nach vorheriger Anmeldung an und verfügt über einen virtuellen Fahrplan mit groben Zeitangaben. Wie unterscheidet sich das Angebot von einem klassischen Rufbus?
Florian Weixler: Wir haben im Landkreis auch klassische, anrufgesteuerte Rufbusse, die auf denselben Strecken wie die Schulbusse fahren. Diese Rufbusse ergänzen die Schulbuslinien in den Nebenverkehrszeiten. ADKflex geht da einen Schritt weiter. Wir haben den ganzen Raum in sechs Linien unterteilt. Die Kleinbusse sind auf Richtungsbändern unterwegs, was im Prinzip zu einer Art flächenhaften Bedienung führt. Wir haben für ADKflex unser Haltestellennetz um über zusätzliche 50 Haltestellen erweitert. Dadurch beträgt die Entfernung zur nächsten Haltestelle in jedem Teilort maximal 250 Meter. Der virtuelle Fahrplan gibt den Fahrgästen zur Orientierung ungefähre Fahrtzeiten an – in etwa plus minus fünf Minuten. Ganz wichtig ist, dass die Fahrgäste ihre Anschlüsse an den Bahnhöfen in Ehingen und in Munderkingen erreichen.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: Wie funktionieren die virtuellen Fahrpläne?
Weixler: Der Betreiber nutzt eine Software, die die Fahrtwünsche aufnimmt und dann die Routen auf den Richtungsbändern optimiert. Wir haben zwar eine durchschnittliche Besetzung mit 1,4 Personen, aber manchmal sind es eben auch fünf oder sechs Fahrgäste, beispielsweise eine Gruppe Jugendliche, die gemeinsamen nach Ehingen wollen und sich aus verschiedenen Dörfern abholen lassen. Die Software optimiert diese Strecke. Deswegen können wir nicht exakt auf den Punkt genau die Abfahrtzeiten angeben. Die Personen warten dann vielleicht mal fünf oder acht Minuten an der Haltestelle. Bis zur Endhaltestelle holen die Fahrerinnen und Fahrer das wieder auf.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: Gibt es auch virtuelle Haltestellen oder fährt ADKflex nur physische Haltestellen des klassischen ÖPNV an?
Weixler: Wir fahren nur Haltestellen mit einem Haltestellenschild, einem Namen und einem festen Platz an, die im Winter selbstverständlich geräumt werden.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: ADKflex hat sechs Bediengebiete, zwischen denen man nur durch Umstiege fahren kann. Die Fahrten sind stark auf Zuganschlüsse an den Bahnhöfen in Ehingen und Munderkingen ausgerichtet. Welche Idee steckt hinter dem Modell?
Weixler: Die sechs Linien haben wir so konzipiert, dass wir sie selbst dann mit drei Fahrzeugen im Stundentakt abdecken können, wenn auf allen Linien Fahrtwünsche vorliegen. Ein Kleinbus fährt dann zwei Linien im Wechsel ab und ist dabei jeweils eine halbe Stunde unterwegs.
Wir haben festgestellt, dass Fahrten zwischen den kleinen Ortschaften nur in sehr geringem Umfang nachgefragt werden. Und wenn, dann in den Gegenden, in denen wir die Orte analog zu den Schulbuslinien ohnehin wie auf der Perlenschnur aufgefädelt haben. In der Regel wollen die Menschen in die Städte Ehingen oder Munderkingen fahren, beispielsweise zu Veranstaltungen.
Unsere Idee ist, Mobilität wirklich zu allen Zeiten zu gewährleisten. Das ist etwas, dass es bei uns im ländlichen Raum bis dato noch nie gab. Sie können tatsächlich am Donnerstagabend um 22:45 Uhr noch mit ADKflex fahren.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: Viele Fahrgäste nutzen ADKflex regelmäßig. Wie wichtig sind diese Stammgäste für den Erfolg des On-Demand-Verkehrs?
Weixler: Wir haben drei größere Nutzergruppen, die zu den Stammgästen zählen. Zum einen Schüler, die auf Schulen gehen, die von den Schulbussen nicht angesteuert werden. Dann Personen, die abends fahren wollen, weil sie lange arbeiten oder nach der Arbeit zu Veranstaltungen nach Ehingen oder Ulm möchten. Dies trifft auch auf Schüler zu, die später nach Hause kommen. Und dann sind da noch die Geflüchteten, die zum Teil auch in ländlicheren Gegenden untergebracht sind. Für diese Gruppe ist der ADKflex die einzige Möglichkeit, um zum Einkaufen, zum Arzt oder zur Behörde zu fahren. Durch die vielen Stammkunden sind wir auch in der breiten Bevölkerung bekannter geworden. Denn die sagen zu ihrer Freundin oder zum Nachbar: „So funktioniert der ADKflex. Probiert den doch auch mal aus.“
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: Ihre Fahrgastzahlen haben sich von Juni 2023 bis September 2023 fast verdoppelt. Davor waren sie monatelang auf einem ähnlichen Niveau. Was sind die Gründe der Verdopplung in so kurzer Zeit?
Weixler: Jedes neue Verkehrsangebot benötigt eine gewisse Zeit, bis es im Bewusstsein der Nutzer ankommt. Im Sommer 2023 erschienen dann drei Artikel in der lokalen Presse, die auf die Vorteile von ADKflex hingewiesen haben. Das hat natürlich dabei geholfen, nochmals auf das Angebot aufmerksam zu machen. Ein weiterer Faktor war wahrscheinlich die Einführung des Jugendtickets Baden-Württemberg im März 2023 und des Deutschlandtickets im Mai 2023. Dadurch konnten Fahrgäste, die vorher nur eine lokal gültige Monatskarte hatten, weitere Strecken fahren. In dieser Kombi – denke ich – hat die Entwicklung der Fahrgastzahlen an Dynamik gewonnen.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: Warum funktioniert die telefonische Buchung bei Ihnen so gut? Unsere Begleitforschung zeigt, dass dies bei anderen Verkehren nicht der Fall ist.
Weixler: Unsere ursprüngliche Idee war natürlich, dass die Fahrgäste hauptsächlich per App buchen, um die Telefonzentrale zu entlasten. Deshalb hatten wir die telefonische Buchung nicht so prominent beworben. In den Anfangsmonaten kam es leider zu Störungen der App und dann haben sich einige Kunden gesagt: „Dann bestelle ich halt telefonisch.“ Und scheinbar läuft das so gut, dass sie bei der telefonischen Anmeldung geblieben sind. Wir werden versuchen, die Bestellungen per App wieder ein bisschen zu steigern. Allerdings wollen wir keine Leute ausgrenzen, die sich mit der App schwertun. Die Möglichkeit zur telefonischen Buchung bleibt bestehen, das ist auch der Wunsch des Kreistags.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: Sie haben ADKflex in die bestehende Tarifstruktur ohne Zuschläge integriert. Was sind die Überlegungen dahinter?
Weixler: Wir haben das Thema natürlich bei uns mit den Kreistagsfraktionen diskutiert. Die Verwaltung wollte von vornherein keine Zweiklassengesellschaft im Tarif. Man kann die Bevölkerung im ländlichen Raum nicht mit einem teureren Verkehr dafür bestrafen, dass bei ihnen der Bus nicht im Halbstunden- oder Stundentakt fährt. Da waren sich auch alle Fraktionen einig. Wir wollen eine Gleichwertigkeit der Räume bei uns im Kreis.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: Wie finanzieren Sie Ihren Verkehr bisher?
Weixler: ADKflex fährt nicht kostendeckend. Der Verkehr wird aus Kreismitteln gezahlt und mit Fördergeldern des Landes kofinanziert. Die Kreisverwaltung hatte zwar zunächst überlegt, die Gemeinden mit ins Boot zu nehmen, aber wir wollten die Kommunen nicht dafür benachteiligen, dass sie abgelegene Gebiete haben. Es ist übrigens so, dass der flexible Verkehr für uns günstiger ist als ein Linienverkehr. Das liegt an den kleineren Fahrzeugen. Zudem benötigt man keinen Busführerschein, um den Kleinbus zu fahren. Das erleichtert es uns, Fahrpersonal zu finden. Bei ADKflex sitzen viele junge Frauen am Steuer.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: Planen Sie das Bediengebiet im Alb-Donau-Kreis zu erweitern?
Weixler: Grundsätzlich können wir uns gut vorstellen, dass ADKflex eine Blaupause für ähnlich strukturierte Gebiete im Landkreis ist. Im ganzen Norden und Nordwesten – im Prinzip in allen Gebieten, die etwas weiter von Ulm entfernt liegen – trägt sich der ÖPNV im Halbstunden- oder Stundentakt nicht. Dort könnten On-Demand-Verkehre umgesetzt werden. Das Ganze muss aber natürlich finanziert werden, die Entscheidung darüber liegt beim Kreistag.
Zukunftsnetzwerk ÖPNV: Wie müssen sich On-Demand-Verkehre in Zukunft entwickeln, damit sie konkurrenzfähig zum Auto werden?
Weixler: Mit Push-Faktoren Verkehrspolitik gegen das Auto zu machen, funktioniert im ländlichen Raum nicht. Wir können eigentlich nur mit Pull-Faktoren arbeiten und den On-Demand-Verkehr attraktiver und die Buchung einfacher und transparenter machen, indem wir zum Beispiel gemeinsam mit dem Softwareanbieter und dem Betreiber dafür sorgen, dass die Verkehre nur eine halbe Stunde im Voraus gebucht werden müssen, anstatt einer Stunde. Und es müsste für die Fahrgäste anhand von Echtzeitdaten ersichtlich sein, wo sich ihr Fahrzeug befindet, beziehungsweise wann es zur Haltestelle kommt – dann können sie die Abläufe noch besser nachvollziehen und sich darauf einstellen.